Umgang mit Trauernden

Veröffentlicht am 14. Juli 2025 um 16:40

Was Mitmenschen über Menschen mit schweren Verlusterfahrungen wissen sollten

 

Menschen, die lange um einen geliebten Verstorbenen oder einen anderen schweren Verlust trauern und sich deshalb zurückziehen, werden früher oder später vom Umfeld aufgefordert, wieder ins Leben zurück zu finden. Die Sorge, der andere könnte nicht mehr herausfinden aus seinem Leid, ist verständlich, aber was ist meist wirklich mit so einer Aussage gemeint?

Am besten wäre es für das Umfeld, man würde irgendwann wieder so werden wie vorher. Das nennt sich für Nichtbetroffene „Heilung“.  Aber funktioniert das?

Das Leben sieht es anders. Wahre innere Heilung bedeutet etwas anderes und wird nicht dadurch erzeugt, dass man sich wieder ein Lächeln aufsetzt und so tut, als wäre nichts passiert. „Drüberweg“ geht mitten durch den Schmerz hindurch und nicht daran vorbei.Und das hat seinen Grund. Der Tod möchte uns verwandeln.

 

Wer vom Schicksal einmal durch einen schweren Verlust oder ein traumatisches Erlebnis aus der Bahn geworfen und damit in seinen bisherigen Wertvorstellungen erschüttert wurde, fällt nicht wieder in alte Bewusstseinszustände zurück, denn es werden Türen aufgestoßen, die sich nicht wieder verschließen lassen. Wer einmal aus der Illusion von einer sicheren materiellen Welt herausgelöst wurde, muss Schutz und Sicherheit woanders finden. Es beginnt ein Prozess der Neuausrichtung, der mit ständigem Suchen, Entdeckenwollen, Reflektieren, Beobachten und Hinterfragen zu tun hat. Nur dadurch werden weitere Türen aufgemacht, durch die Licht in die Dunkelheit einfließen kann. Und das braucht Zeit! Davon bekommen Außenstehende nur meist wenig mit.

 

Der Schmerz öffnet diese Türen, bricht alte, eingefahrene Gewohnheiten und Denkmuster auf, löst, verändert und weckt unerkannte Potenziale. Alles ist schon in uns angelegt, es wird nur oft nicht erkannt, weil keine Notwendigkeit besteht, es auszugraben. Wir brauchen die Herausforderungen des Lebens, um die Wahrheiten in uns und dementsprechend auch im anderen und in unserem Leben erkennen zu können. Wenn uns der Tod oder das Ende von etwas Gewohntem nicht ab und zu aus der Komfortzone reißt, bleiben wir im Geiste arm, entwickeln uns nicht weiter und stagnieren, was dann wirklich innerlich tötet. Der Tod, von dem ich hier spreche, erweckt uns zu neuem Leben.

 

Ein schöner Satz fiel mir neulich in die Hand:

„Deine Realität richtet sich nicht an der höchsten Version Deinerselbst aus, die Du Dir vorstellen kannst, sondern an der niedrigsten Version, die Du bereit bist, zu akzeptieren.“

 

Wir basteln uns unsere Wirklichkeit aus den gefühlten Erfahrungen, die wir schon gemacht haben. Rein kognitives Wissen ist keine Erfahrung und damit auch keine echte Bewusstheit. Solange dieses Wissen nicht auch am eigenen Leibe gefühlt und erfahren wurde, ist es nicht von Wert. Wer den Schmerz eines anderen Menschen nicht aus eigener Erfahrung mitfühlen kann, kann auch die Welt nicht mit seinen Augen sehen oder sein Verhalten nachvollziehen.

 

Trauernde sind dabei, ihre Welt zu vergrößern, damit das, was fehlt, wieder da ist uns sich sinnvoll einpasst. Sie sind gezwungen, sich für Gedanken zu öffnen, die andere Menschen noch gar nicht haben können und auch noch nicht brauchen. Sie jonglieren seit dem Ereignis zwischen 2 Welten, was sie in ihrer Trauer sehr lebendig macht, während diejenigen, die sich als lebendig bezeichnen, ihr Dasein nur in einer verbringen, in der sich nicht viel bewegt.

Wer nur eine Welt kennt und sich vornehmnlich der äußeren Realität öffnet, während die innere nur im Hintergrund ein unbedeutendes Schattendasein fristet, kann sich in den Augen eines „Zweiweltlers“ nicht wirklich als lebendig bezeichnen. Er funktioiniert nur prima im Außen, was der Trauernde gerade nicht kann, weil er damit beschäftigt ist, den Himmel auf die Erde zu holen. Wer sich erlaubt, das Sichtbare mit dem Unsichbaren zu verknüpfen, das Unbekannte in das Bekannte trägt und Neues in Altes einfließen lässt, lernt das Leben neu kennen. Diese Menschen haben eine andere Perspektive, weniger Angst und verknüpfen und interpretieren die Dinge anders. Und darum können sie auch mit den zwar nett gemeinten, aber völlig überflüssigen Ratschläge derjenigen, die diese Erfahrung nicht gemacht haben, nichts anfangen. Sätze wie „Du müsst ..., Du solltest ..., Du darfst nicht ...“ usw. erzeugen dann manchmal ein wissendes Lächeln, können aber auch ärgern und verletzen – je nach Verfassung.  Darum müssen sich Trauernde ab und zu zurückziehen und verkriechen, denn es tut ihnen nicht gut, sich ständig vor ihrer alten Welt rechtfertigen zu müssen und ihr seltsames Verhalten zu erklären.

 

Das sollten nicht betroffene Mitmenschen über Trauernde wissen, damit sie nicht unnötigerweise und aus Unachtsamkeit langbestehende Freundschaften gefährden,  wodurch das Verlustgefühl der Trauernden noch zusätzlich verstärkt werden kann. Sich unverstanden zu fühlen und zu wissen, das man das, was in einem wirklich gerade passiert, nicht vermitteln kann, ist schon traurig genug.

 

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